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Rede anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Unterwegs" im Liebweinturm, Burghausen, 23.06.2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde des Künstlers Manfred Bugl, lieber Manfred!

Es ist schon eine sehr schöne Einrichtung der Künstlergruppe „Die Burg“, hier in diesen alten Gemäuern, die schon so viel gesehen haben, einzelnen Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, einmal zu zeigen, was sich in ihren Ateliers an Neuem und Spannendem getan hat und was allzu oft in ihren Magazinen sich ansammelt und dem Blick entzogen ist. Wenn damit auch noch die Chance verbunden ist, einmal in einer Retrospektive auf das gesamte malerische Leben einer gereiften Künstlerpersönlichkeit zurückzuschauen, hat das seinen ganz besonderen Reiz – für die Betrachter, wie für den schaffenden Künstler.  

 

Heute nun das Werk des in Tafelberg bei Perach lebenden Kunsterziehers und Malers Manfred Bugl, der in einigen Wochen seinen 75.Geburtstag feiern darf. 

 

Wenn ich sagte „gereifte Künstlerpersönlichkeit“, dann darf man das bei Manfred Bugl nicht so verstehen, dass wir hier nun von Stockwerk zu Stockwerk gehen könnten und uns dabei von Jugendwerken mit einem wagemutigen, aber noch etwas unfertigen Pinselstrich über immer gekonntere Werke schließlich zu einem abgeklärten Alterswerk durcharbeiten könnten, sondern es ist eher das Gegenteil der Fall. Die Ausstellung trägt den Titel „Unterwegs“ und im Untertitel „Retrospektive“, aber wohlweislich hat der Künstler hinzugefügt: „und aktuelle Arbeiten“, denn einerseits zeigt bereits die Rückschau, wie sehr in allen Phasen seines Schaffens das Ausprobieren und Ausloten neuer Darstellungsmöglichkeiten das „Weitergehen“ bestimmt haben, und andererseits beweisen gerade seinen letzten, noch taufrischen Arbeiten in ihrer großen Freiheit, ja fast Radikalität, dass es bei Manfred Bugl kein altersweises Innehalten und Bewahren gibt,  sondern dass man sich eher bei jedem neuen Bild erstaunt fragt: „Wo soll das noch hinführen?“

 
Wahrnehmungen – Sichtweisen – Ahnungen

 

Wir alle nehmen die Welt, die uns umgibt, wahr.  Das scheint selbstverständlich, dafür haben wir unsere Sinnesorgane.  Doch menschliche Wahrnehmung ist mehr als das oberflächliche Verarbeiten von Sinnesreizen. Wir fragen nach Zusammenhängen, nach Bedeutung, nach Sinn. Wir sind auf Sinn hin angelegt. Und erst wenn wir den Blick bewusst auf etwas richten,  wenn wir es bewusst wahr-zu-nehmen versuchen, entsteht Sinn, dann besteht die Chance, dass es uns in seiner inneren Wahrheit aufleuchtet und uns anspricht. Der Mönch und Mystiker David Steindl-Rast meint, das Wort „Sinn“ habe einen engen Zusammenhang mit unseren Sinnen. Erst wenn wir mit wachen Sinnen durch die Welt gehen, erfahren wir Sinn. Auf unseren Seh-Sinn bezogen: Wenn wir die Dinge, die uns begegnen, so anschauen, dass wir innerlich zu ihnen sagen: „Überrasch mich!“, dann würden wir unsere Überraschungen erleben. 

 

Ich glaube, Manfred Bugl hat diesen sinnstiftenden Blick auf seine Umwelt. Er braucht nicht weit zu gehen oder zu fahren, er braucht keine spektakulären Szenerien, er findet die Objekte seiner Wahr-Nehmung meist  in seiner  unmittelbaren Umgebung. Es kann der Holzstoß hinter dem Haus sein, die Blume vor dem Fenster, der Himmel über dem Holzland – alles ist es wert, in seiner Eigenart und in seiner Aussagekraft wahrgenommen, gemalt und damit wertgeschätzt zu werden. 

In seinen frühen Bildern war dabei die künstlerische Gestaltung sehr stark mit dem Willen zur Genauigkeit in der Wiedergabe verbunden. Die Kaffeekanne und die Eier in seinen frühen Stillleben etwa sind auch noch in ihren Spiegelungen täuschend echt dargestellt. Doch bald wandte sich der Blick des Betrachters und Malers von außen nach innen und die wahrgenommene Wirklichkeit, - das Murnauer Moos etwa, eine Landschaft in Griechenland, ein Ausblick ins Holzland – wurden durch eine individuelle Brille angeschaut. Nicht ein Abbild des Gesehenen steht nun im Mittelpunkt, sondern die Frage ist, wie kann die damit verbundene persönliche Erfahrung mit in das Bild einfließen, wie entsteht eine überzeugende Darstellung auf Grund einer individuellen Sichtweise? Dazu braucht es eine Malweise, bei der im Letzten das Unbewusste befragt wird, da braucht es oft eine freie Hand und einen großzügigen Pinselstrich, da braucht es den Mut  der Entscheidung, was nun aus der eigenen Sicht zum Wesentlichen gehört und was nicht. 

 

Besonders deutlich wird diese Art der Gestaltung meines Erachtens bei den Bildern, die „ex voto“ betitelt sind und sich die Votivtafeln um die Altöttinger Gnadenkapelle zum Thema genommen haben. Dass man, „unterwegs“ in der Nachbarschaft Altöttings, auf die Gnadenkapelle stößt, kann man verstehen. Dass man sich aber als zeitgenössischer Künstler von den naiv-gläubigen Votivtafeln zu einer ganzen Serie eigener Bilder anregen lässt, ohne ironisch-verfremdend zu diffamieren oder dem Genius loci frömmlerisch Zugeständnisse zu machen, ist meiner Meinung nach nicht selbst-verständlich. Der Balanceakt, auf den sich diese Bilder einlassen, konnte wohl nur gelingen, weil der Künstler das gläubige Anliegen dieser Menschen ernst nahm, die Motive aber konsequent in seine persönliche Bildsprache übersetzte. Er belässt es bei der Grundstruktur der Originale und übernimmt die überlieferten Requisiten, verzichtet aber auf vorgetäuschte Objektivität in Form von Detailgenauigkeit. Vielmehr versucht er, den geheimnisvollen und eigentlich ungreifbaren Raum zwischen dem Himmel der Madonna und der irdischen Not der Bittsteller durch eine nuancenreiche Farbgestaltung neu auszuleuchten und gleichzeitig in der Schwebe zu halten. So werden etwa die warmen, „erdig“ braun-roten Farbtöne des Diesseits  mit den „geistig“ blau-grünen Tönen des Jenseits spannungsreich kontrastiert und durch das zarte Weiß, das die Madonna gleichzeitig offenbart und verhüllt, in eine enge Beziehung zu einander gebracht. So entsteht ein Raum der Nähe, der manches nur erahnen lässt, aber dadurch vielleicht auch einem modernen Betrachter das Geheimnis des Gnadenhaften  im Leben zugänglich machen kann. 

Eine besondere persönliche Note weisen auch seine Städtebilder auf. Durch die Wahl der Perspektive und das Zusammenspiel von Fläche, Farbe und Rhythmus entsteht hier eine Dynamik, die altehr-würdige Mauerfronten, wohlgeordnete Häuserzeilen und hoch aufragende Türme zu einem erstaunlich jungen, neuen Leben zu erwecken vermag. 

 

Besonders auffällig im Schaffen von Manfred sind die sogenannten Herz-/Kreuzbilder, von denen er mittlerweile etwa 50 Stück angefertigt hat, alle im Format 24 x 24, die alle in dieser Ausstellung zu sehen sind. Durch den frühen Krebstod seiner ersten Frau Christine musste sich Manfred intensiv der Erfahrung des Leides stellen. Auf den Rat eines Freundes hin versuchte er, auch diese Lebenserfahrung in seine Malerei einzubinden. Er gab dem Leid eine Gestalt, das Kreuz, durfte aber glücklicherweise erfahren, dass in der Tiefe, dort wo unser Erleben und Erleiden das Vertrauen berührt, die Liebe und als Symbol dafür das Herz, ihre geheimnisvolle Macht entfaltet. Es ist berührend zu sehen, in welch vielfältigen Gestaltungen Manfred diesen so kostbaren Zusammenhang zwischen dem Kreuz und dem Herzen ausgelotet hat. Er beschränkt sich dabei nur auf die Grundfarben Gelb, Rot und Blau und Schwarz/Weiß, um falsche Abschattierungen und Harmonisierungen zu vermeiden, gewinnt aber eine solche Menge an Ansichten und Einsichten, dass es beim Betrachter fast unweigerlich zu der ganz persönlichen Frage führt: „Was könnte denn nun mein Herz sein?“ Man hat bei diesem Thema das Gefühl, Manfred kann nicht aufhören damit, immer neue Aspekte davon aufzufinden und in seinen Bildern, aber auch in seiner Seele zu verankern. 

 

Bemerkenswert ist meiner Meinung nach auch, dass im Laufe der Zeit die Freiheit in der Gestaltung dieser Bilder auffällig zugenommen hat. Während am Anfang noch eine Schablone ihre Verwendung fand, wurde im Laufe der Zeit der Schwung der Hand, die den Pinsel führt, immer gewagter und expressiver. Außerdem ergab es sich, dass immer mehr das Herz allein im Mittelpunkt stand. 

 

Dass seine Empathie für menschliches Leid dabei nicht bei der eigenen Lebensgeschichte stehen geblieben ist, zeigen die beiden Herz/Kreuzbilder, in denen auf bewegende Weise das von Menschen zugefügte Leid in Ausschwitz und im Vietnamkrieg thematisiert wird. 

 

Überraschend sind wohl für alle, die das „Unterwegs-Sein“ des Künstlers mitverfolgt haben, die Bilder, die in letzter Zeit entstanden sind. Es sind große Bilder und heißen „Wolkenwirbel“, „Feuerzungen“, „Lichteinfall“ oder einfach „C´est la vie“ und zeugen von einem neuen, weit ausgreifenden Schritt im „Unterwegs-Sein“. Ich habe hier den Eindruck, als habe sich die Sehnsucht der Herzen aus den kleinen Bildern gleichsam ins Weite, ins Kosmische befreit und lasse sich nicht mehr von den Einschränkungen unserer normalen Welt-Anschauung begrenzen. Es kann sich ein ekstatisches Spiel von Energie, Bewegung und Farbe entfalten und eines dieser Bilder hatte wohl schon seinen richtigen Platz gefunden, als es für den „Tag der offenen Kirchen“ im Altarraum der Kirche zum „Heiligen Geist“ in Burghausen stand. 

 

Es scheint nicht ohne Bedeutung, dass in Manfreds Atelier an der Wand hinter seiner Staffelei das Bild des Auferstandenen vom Isenheimer Altar von Mathias Grünewald hängt. Dass aus der Dunkelheit der menschlichen Existenz immer wieder auch das Licht einer neuen, erlösteren Lebenserfahrung durchbricht, hat er schon öfter thematisch bearbeitet. Erst kürzlich hat sich die PNP ein Bild von Manfred geliehen, um damit ihre Osterausgabe zu gestalten. Es ist unserer Welt beileibe nicht immer anzusehen, dass das Licht die Oberhand gewinnt. Umso wichtiger ist es meines Erachtens, dass die Kunst mit ihren Mitteln aufzeigt, dass wir unseren Blick nicht gefangen nehmen lassen müssen von den unglaublichen Abgründen, die sich in unseren Zeiten fast täglich auftun, sondern dass es z.B. möglich ist, ein Bild zu malen, das fast ganz in Gelb gehalten ist und den Titel „Ahnung“ trägt. Allerdings hat es fast Symbolkraft, dass gerade dieses Bild durch mehrfaches Übermalen früherer Bilder entstanden ist. 

 

Nun könnte man als kritischer Betrachter bei Bildern dieser Art im Stillen die Frage zu spüren: „Darf man als moderner Künstler einen so positiven, ja begeistert bejahenden Blick auf die Welt haben? Ist es nicht das Merkmal von echter Kunst im Gegensatz zum Kitsch, dass sie nicht beschönigt und harmonisiert, sondern gerade das Hässliche, Dunkle und Bösartige herausstellt, um die Menschen zu konfrontieren und wach zu rütteln?“ 

 

Ich denke, da ist bei Manfred Bugl keine Gefahr. Immer schon (und zu besichtigen in dieser Ausstellung) hat er das Armselige (z.B. in Gestalt von „Vasilij, dem Gottesnarr“), das Fratzenhafte oder das aufständisch Trommelnde in großen Bildern zu Wort kommen lassen. Und gerade in der letzten Zeit konnte man bei einem Besuch in seinem Haus in Tafelberg erleben, dass an der Wand, an der beim letzten Mal Feuerzungen sich in einem Tanz der Freude und der Energie bewegten, jetzt ein Bild in gleicher Größe hängt, auf dem das Licht große Mühe hat, sich in einer Schlucht im Elbsandgebirge durchzukämpfen, um den Weg des Wanderers wenigstens ein wenig auszuleuchten. 

 

Die Nähe zwischen Dunkelheit und Licht ist für Manfred Bugl fast ein Lebensthema geworden. Er entdeckt und gestaltet sie als Morgenröte oder als Abendhimmel in großen, wahrlich beeindruckenden Bildern. Er findet sie in der Natur, die ihm als „alten Romantiker“, wie er sich selbst bezeichnet, gerade im Spiel zwischen Licht und Schatten ihr wahres Geheimnis entdeckt. Es gehört für ihn, wie er mir neulich in einem Gespräch sagte, zum Leben, zur Lebendigkeit unabdingbar dazu, dass der Atem kommt und geht und dass das „Herz“ als das Organ für unsere Sinnfindung in dieser Welt das Dunkle kennt und annimmt, aber auch von der Ahnung erfüllt ist, dass das Eigentliche der beschränkten Sichtweise unserer menschlichen Existenz verschlossen bliebe, wenn uns nicht die Sehnsucht weit darüber hinaus führen würde. 

 

So ist Manfred Bugl immer schon und, wie ich meine, in letzter Zeit besonders augenscheinlich, eingespannt in dieses Erfahrungsfeld von Dunkelheit und einbrechendem Licht. Und wo diese Spannung ausgehalten und gestaltet wird, stellt sich unweigerlich die Frage, wie sie gelöst werden soll. Die hier ausgestellten Bilder der letzten Zeit zeigen uns beides und sie brauchen einander, damit es in der Malerei wie im Leben „stimmt“. 

 

So befindet sich Manfred Bugl heute nicht auf einem alles in Ruhe überblickenden Aussichtspunkt über sein  Malerleben. Er zeigt uns hier in dieser Ausstellung nicht nur eine Retrospektive. Er ist wie eh und je unterwegs. Und so stellt sich auch für uns Betrachter und Freunde seiner Kunst die Frage: „Wie wird dieses Unterwegs-Sein weitergehen? Wo soll das noch hinführen?“ 

 

Doch zunächst können wir, wie ich meine, einen Gang durch die Bilderwelt dieses bewegten und bewegenden Malers Manfred Bugl unternehmen. Dir, Manfred, wünsche ich von Herzen, dass die Ausstellung ein Erfolg wird und du auch weiterhin uns mitnimmst auf deinem ganz persönlichen Weg als Mensch und Künstler. 

Josef Schweighofer

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